Links-Golf über Stock und Stein


Schon mal von Bandon Dunes im Nordwesten der USA gehört? Sagt Ihnen Cabot Links an der Küste von Nova Scotia in Kanada etwas? Oder Barnbougle, dieser sagenumwobene Ort in Tasmanien vor der Küste des australischen Festlands? Falls nicht, dann googeln Sie bitte sofort einen dieser drei Orte und fangen an, zu träumen. Denn die Plätze, die Sie an diesen von Europa doch recht weit entfernten Flecken finden, sind wirklich außergewöhnlich. Außergewöhnlich spektakulär im Bezug auf die Landschaft, aber auch im Hinblick auf Design und Routing (Verlauf der Bahnen).

Verantwortlich dafür sind meist diese beiden Herren: Bill Coore und Ben Crenshaw. Letzterer gewann in seiner Karriere zwei Mal das Masters, Coore hingegen kam von der Uni und lernte unter Pete Dye das Handwerk des Kursdesigners. Seit einigen Jahren ist das Duo so etwas wie die Primadonna im internationalen Golfplatzbau: Wenn Coore & Crenshaw auf der Scorekarte steht, kann man sicher sein, dass die Runde einen Riesenspaß macht – und der Platz im Gedächtnis fest verankert bleibt.

Eine ähnliche Reputation hat derzeit eigentlich nur noch Tom Doak, der bei den eingangs genannten Anlagen zwei Kurse (Lost Farm/Barnbougle sowie Pacific Dunes/Bandon) entworfen hat. Außerdem stammen Cape Kidnappers in Neuseeland und einer der Kurse des 2013 eröffneten Streamsong Resorts in Florida von ihm.

In der Nähe von Bordeaux hat er mit dem SE GC zudem in 2015 den ersten Platz in Kontinentaleuropa umsetzen dürfen. Im Auftrag der Familie Mourgue d’Algue sind 18 Löcher entstanden, die schon kurz nach Eröffnung für Begeisterung unter Fachleuten sorgten und den Kurs augenblicklich in die Top Ten der besten Plätze Frankreichs beförderten.

Ein Großteil dieser sehr „jungen“ Plätze findet sich bereits auf den Top-100-Listen von Golf Digest oder Golf Magazine  – eine Auszeichnung, die nur extrem beeindruckende Plätze überhaupt einmal erreichen. Interessant dabei: Die „jungen Wilden“ haben eines gemeinsam. Es geht zurück zum Ursprung des Golfsports. Links-Golf, wie man es in Schottland, Irland und Großbritannien kennt, ist über dem Teich gefragt wie nie zuvor.

Links-Golf ist in!

Dazu sollte dann aber auch die Fortbewegung passen. Im Cart über den asphaltierten Pfad zu brettern, passt bei der neuen Generation von High-class-Anlagen nicht ins Bild.
Stattdessen werden alte Tugenden ausgepackt: Der Golfer läuft wieder! Je nach Budget – und das sollte bei den genannten Anlagen mit Ausnahme von Barnbougle ziemlich hoch sein – gerne mit Caddie.

Apropos Caddie. Der Taschenträger hat auf diesen Plätzen wenig mit dem 15-jährigen Sprössling eines Clubmitglieds zu tun, der sich ein paar „Bucks“ nebenbei verdienen möchte. Bei den Caddies in Bandon, Cabot oder Streamsong handelt es sich um Profis, deren Vollzeitjob es ist, Caddie zu sein. Neben dem Tragen der Schläger weiß der Caddie auch so gut wie jede Entfernung, gibt – falls gewünscht – taktische Ratschläge und kann Putt-Linien lesen, wie kaum ein Greenfee-Spieler. Schließlich sieht er jeden Tag mehr Versuche auf den Grüns, als Sie sich in einer TV-Übertragung auf Sky reinziehen können. Außerdem haben diese Jungs die besten Geschichten drauf, schließlich wollen CEOs, Schauspieler und andere berühmte Golfverrückte bestens unterhalten werden.

Streamsong

Arg künstlich wirkende Plätze wie beispielsweise der TPC-Kurs Sawgrass in Florida, wo jedes Jahr die Players Championship ausgetragen wird, sind bei den neuen Vorzeigekursen ebenso verpönt wie übermäßig manikürte Anlagen, wo man jede Roughkante gestochen scharf vom Fairway unterscheiden kann. Überhaupt: Parkland ist ein wenig aus der Mode gekommen, wie es scheint. Links-Style ist stattdessen der heiße Shit. Hohe Gräser, verschiedenste Farbschattierungen, natürlich (wirkende) Ondulierungen und ausgefranste Bunker oder Sandwastes sind aktuell das große Ding. Dazu Wind und Natur, wie geschaffen für den modernen Golf-Hipster.

Ganz interessant in diesem Zusammenhang: Bill Coore und Ben Crenshaw waren auch für den Umbau von Pinehurst No. 2 zuständig, den US-Open-Kurs von 2014, auf dem Martin Kaymer seinen zweiten Major-Titel feierte. Wer die TV-Bilder noch im Kopf hat: Der Unterschied zu den früheren Aufnahmen von 2005, als zuletzt das Major zu Gast war, ist frappierend. Ungleich natürlicher wirkt der berühmte Kurs nun, für viele Zuschauer und Fans aber vielleicht auch ein wenig wüst und unaufgeräumt. Es war auf jeden Fall ein Bruch mit den Konventionen. Vielleicht vergleichbar mit dem Bild, das erfolgreiche Unternehmer mittlerweile geben. Statt im Nadelstreifenanzug steht Snapchat-Gründer Evan Spiegel beispielsweise im legeren Holzfällerhemd vor Kunden und Investoren. Milliardär (!) ist er dennoch.

Wie sieht es in Europa aus?

Aber zurück zur Fortbewegung – und über den Teich nach Europa. In der DACH-Region sind wir das Laufen auf den Golfplätzen ja eigentlich schon gewohnt. Ebenso in Skandinavien oder in Großbritannien und Irland. Insofern sollten wir daran nicht viel ändern, nur ein wenig Acht geben. Denn: Immer mehr Clubs setzen mittlerweile auch auf Carts. Das hat natürlich mehrere Gründe. Zum einen werden die Mitglieder dieser Clubs immer älter und wollen trotz eingeschränkter Mobilität nicht auf das Spiel verzichten. Das ist verständlich, lässt sich aber mit Ausnahmen (z.B. ärztliches Attest) regeln. Andererseits ist es auch eine Einnahmequelle für die Clubbetreiber. 30 bis 40 Euro extra lassen sich mit dem „Service“ Cart schnell verdienen. Wenn sich das Modell erst mal etabliert hat, lassen sich die anfänglichen Kosten (Anschaffung, eventueller Bau von Cart-Wegen) schnell amortisieren. Zudem können die Elektrowägen die Spielzeit beschleunigen, was wiederum zu mehr Einnahmen führen kann (eine hohe Nachfrage von Greenfee-Spielern vorausgesetzt).

Doch wir sollten die Nachteile dieser Art von Mobilität nicht außer acht lassen. Die Wichtigste gleich zu Beginn: Der Golfer bewegt sich mit einem Cart deutlich weniger. Der Gesundheitsaspekt ist jedoch für viele Golfspieler wichtiger, als sie denken. Das Problem ist vergleichbar mit der Rolltreppe. Wenn eine da ist, nehmen sie die meisten Menschen auch.

Außerdem zu bemängeln: Die Reputation unseres Sports leidet (Fragen Sie mal einen Nicht-Golfer, ob es noch ein Sport ist, wenn Sie in einem Cart fahren!). Zudem gibt es mit Carts auch weniger Gespräche, da es schwerer ist, zu fahren und sich zu unterhalten. Auch die Optik der Plätze wird dank der Cart-Wege sicherlich nicht attraktiver. Spanien ist in Sachen Carts ziemlich vergleichbar mit den USA. Wenn es sich um einen großen Platz handelt, gibt es meist auch Carts en masse. Gehört sozusagen zum Prestige dazu. Aber will man das wirklich: Valderrama spielen und dabei im Cart sitzen. No, gracias! Immerhin kann man auf fast allen spanischen Plätzen wählen, ob man sein Bag tragen möchte, einen Trolley nutzt oder eben Cart fährt. Das ist ein Vorteil, denn auf den meisten US-Plätzen ist das bislang nicht möglich. Außer der Designer heißt Bill Coore,  Ben Crenshaw oder Tom Doak.

Martin Angerer
Martin Angerer
Martin Angerer ist Chefredakteur bei Perfect Eagle Golf & Head of Digital Media.
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