PHIL MICKELSON – THE GREAT ENTERTAINER

Die Spielweise von Phil Mickelson wurde schon mit vielen Adjektiven tituliert: riskant, dramatisch, künstlerisch, furchtlos  – und derlei unzähligen weiteren. Vor allem aber ist das Spiel des Superstars eines – unterhaltsam. Die Rolle des großen Entertainers, sie schlägt tiefe Wurzeln im Selbstverständnis des Mannes, dessen Spitzname „Phil the Thrill“ seit über drei Jahrzehnten Programm ist. Und sie wird auf ewig untrennbar mit ihm und seinem immensen Erbe für den Golfsport verbunden sein!

Ein voller Schwung, der Schläger zischt durch die Luft, dann ein leichter Kontakt. Der Ball steigt in die Höhe, begleitet, ja fast getragen vom Raunen Tausender, die nicht begreifen können. Sekunden formen eine Ewigkeit, dann strebt die kleine Kugel wieder zur Erde hinab, ergibt sich den steten Kräften der Natur, denen sich das Spiel ihres Besitzers regelmäßig zu widersetzen scheint. Sie fällt sanft aus dem blauen Himmel, aus dessen fernem Olymp das Talent eines Mannes stammt, den sie auf den Golfplätzen dieser Welt Phil nennen. Einfach Phil. Für einen kurzen Moment hört man noch das Aufkommen des Balles auf dem Grün, dann geht die Szenerie im Jubel unter.

Jahrzehntelang stellt der Applaus die wogende Begleitmusik für Phil Mickelsons Karriere dar, nicht nur in den Momenten, in denen er mit seinem unnachahmlichen Flop-Shot der Gravitation ein Schnippchen schlägt. Dieser so kurze Schlag, den er gerne auch aus einem Meter Entfernung über Coaches oder Caddies fliegen lässt, ist durch den spektakulären Gegensatz von rasantem Schwung und hoher, sanfter Flugbahn wie kein zweiter beispielhaft für das Talent des kalifornischen Ausnahmekönners.

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Er ist perfektes Symbol für Phils Tanz auf der golferischen Rasierklinge, für den Drahtseilakt zwischen Faszination und Fiasko, zwischen Birdie und Double Bogey. Manchmal zwischen allem und nichts. Trotz seiner Dramatik ist er allerdings nur ein kleiner Teil aus dem magischen ­Zylinder von Mickelsons spielerischem Repertoire, dessen Schönheit seit jeher in seiner Unberechenbarkeit liegt. Die Reaktion der Zuschauer ist dabei im Wechselspiel mit den Schlägen ihres Helden gleichermaßen Anerkennung wie Grundlage. Beide schaukeln sich in gegenseitiger Anfeuerung in Höhen, die sie allein niemals erreichen würden. Die Menschen wissen um diese besondere Beziehung, so wie auch Phil Mickelson um sie weiß.

Phil braucht seine Fans, so wie sie ihn brauchen

„Viele Spieler spielen dann am besten, wenn sie alles um sich herum ausblenden“, sagt Phil über die Gefühlslage während einer Runde. „Sie sind in ihrer eigenen Welt. Ich dagegen brauche die Interaktion mit den Fans, um mein bestes Golf zu spielen.“ Der mittlerweile 51-Jährige sehnt sich dabei nach weit mehr als der bloßen Ovation, vielmehr ist es das Zusammenspiel mit seinen Fans, das ihn anfacht. So bespricht „Lefty“ zum Beispiel hin und wieder mit Kindern am Rande des Fairways, ob er das Grün eines Par 5 angreifen soll oder nicht. „Du kannst jederzeit mein Caddy sein“, zwinkert er dem kleinen Jungen zu, der ihn zum 3-Wood ermutigt. In einem anschließenden Pro-Am darf der junge Fan tatsächlich Mickelsons Bag schieben.

Einem Marshall, den er per missglückten Drive am Kopf trifft, sagt Mickelson einmal, dass er im Fairway liegen würde, wenn das Haupt des Ordners „doch nur ein bisschen weicher wäre“. Dann entschuldigt er sich mehrfach und schenkt dem Unverletzten einen Handschuh samt Unterschrift. Hunderte Präsente dieser Art finden sich heute in den Wohnzimmer­regalen seiner Fans.

Sie sind es auch, in deren Gesellschaft er Stunden um Stunden abseits des Platzes verbringt, sei es beim unermüdlichen Schreiben von Autogrammen, externen Sponsoren-Events oder zahllosen philanthropischen Ausflügen. Schon immer ließ er viele an seinem beträchtlichen Reichtum teilhaben, ganz egal ob von Krankheit geschlagene Menschen, Kinder ohne Perspektive oder einen vom Schicksal getroffenen ehemaligen Football-Profi, dem die Rechnungen der Behandlung seiner querschnittsgelähmten Frau über den Kopf wachsen. Mickelson hat von der Geschichte lediglich im Fernsehen gehört. Für seine Kritiker sind solche Episoden wie jedes einzelne Autogramm nur selten von Bedeutung.

Sie zimmern eine reine Fassade, ein konstruiertes Saubermann-Image für die Öffentlichkeit, welches nichts mit der Realität zu tun haben soll. So mancher Kollege beschreibt Phil als jemanden, der von unerschütterlichem Selbstbewusstsein getragen über den Dingen schwebe. In seinen menschlichen Momenten tut er allerdings alles andere als das, wenn er sich selbst in der letzten Runde eines Majors zu einem kleinen Kind hinunterbeugt und ihm, begleitet von freundlichen Worten, seinen Ball schenkt. In diesen Augenblicken ist alles real, allem voran das Leuchten in den Augen des Kindes und das freudvolle Lächeln, welches noch Stunden später im unschuldigen Gesicht verweilt.

Das innere Kind befeuert die Karriere

So ähnlich lächelt Phil Mickelson selbst vor Jahrzehnten im heimischen Garten in San Diego, als er die Vorzüge der hauseigenen Chipping Area für sich nutzt. Bis heute bewahrt sich der mittlerweile dreifache Vater die unbekümmerte Leichtigkeit seiner frühesten Jugend, auch oder gerade weil er in ihr den vielleicht wichtigsten Grundstein für seine sportlichen Heldentaten sieht. „Seit ich denken kann, habe ich einen Schläger in der Hand“, sagt der sechsfache Major-Sieger, der damals spiegelverkehrt seinen Vater nachahmt und damit zum besten „Linkshänder“ der Golfgeschichte wird. „Ich habe immer wieder neue Schläge ausprobiert, habe mit dem Spiel experimentiert und mich neu herausgefordert. Das macht die Faszination und den Spaß am Spiel aus, deshalb liebe ich es so. Und diese Einstellung hält mich heute noch bei der Stange und lässt es nie langweilig werden“. ­Jahre, in denen er ein geschätztes Gesamteinkommen um die 50 Millionen US-Dollar einstreicht, ließen dieses innere Kind nicht erwachsen werden. Noch heute agiert Mickelson mit der gleichen neugierigen Freude, wie er es damals tut. Ganz egal, in welcher Situation.

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Wenn sein Ball in der finalen Runde des Masters auf Bahn 13 inmitten der Bäume auf Piniennadeln zur Ruhe kommt, so wie 2010, dann kennt Phil auch bei engstem Turnierverlauf keine Furcht. Stattdessen regieren ebenjener Spaß an der Magie und ein Urvertrauen in die eigenen Fähigkeiten die Gedanken, sodass kein Platz für Zweifel bleibt. Sondern ganz viel Raum für das ist, was die Menschen von ihm sehen wollen. „Dieser Schlag ist der Inbegriff meiner selbst“, lacht Phil über sein legendäres 6er-Eisen, welches über 180 Meter und Rae’s Creek hinweg auf dem Grün sowie mitten im Herzen seiner frenetisch jubelnden Anhänger landet. „Je härter man arbeitet, desto leichter fällt das Gewinnen, aber letztendlich muss man auch Risiken eingehen, um zu gewinnen.“ In diesem Wissen drängen sich die Zuschauer ganz besonders dann auf den Platz, wenn Phil Mickelson mit seinen schweren Schritten über die Fairways schreitet. In der Moderne kann hier wohl nur seine einstige Nemesis und heutiger Freund Tiger Woods mithalten, kaum ein anderer generiert diese besondere Art der sehnenden Vorfreude. Während sie „Let’s go Phil“ rufen, hoffen die Menschen auf einen weiteren magischen Moment, etwas noch nie Dagewesenes. Wohl wissend, dass die „Go for broke“-Attitüde ihres Idols nicht selten im sportlichen Desaster mündet.

Phil und seine eigene Verletzlichkeit

So wie die spektakulären Flop-Shots, monumentale Schläge aus Pinienhainen oder legendäre ­Hole-outs schuf Mickelson über die Jahre auch viele herzzerreißende Momente. Die U.S. Open, das letzte Major, das ihm noch zum Grand Slam fehlt, wird zu dem Turnier, bei welchem er sein unermüdliches Streben nach Brillanz zu einer ganz eigenen Kunstform der Niederlage macht. Wenn in Shinnecock kurze Putts ihren Weg nicht finden, wenn die „weißen Gesichter“ von Merion zum Schreckgespenst mutieren, dann wird aus dem Bestseller Phil in Sekundenbruchteilen ein tragischer Dramatiker.

Und wer könnte je Winged Foot vergessen, den diabolischen Platz auf Long Island, wo Phil 2006 seinen sportlichen Tiefpunkt erleidet. Wie immer mit dem Feuer spielend, verwandelt er als Führender die Bahn 18 mit einer Aneinanderreihung schlechter Entscheidungen und missglückter Wagnisse in einen Albtraum, der selbst den so selbstbewussten Phil Mickelson an sich zweifeln lässt. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich das gemacht habe“, sagt er konsterniert in der anschließenden Pressekonferenz. „Ich bin so ein Idiot.“ Dieser Idiot hinterlässt bei den Mitarbeitern des Golfclubs kurz darauf 10.000 US-Dollar Trinkgeld.

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