Bilder: Alexander Schwarz.
Patrick, Du betreibst systemisches Coaching für ausgewählte Spitzensportler, Nachwuchsathleten und berätst Eltern, die für ihre Kids auf der Suche nach objektivem, kompetentem Know–How und Impulsen zur Optimierung ihrer sportlichen Entwicklung sind. Was darf man sich darunter vorstellen?
Patrick: Im ersten Schritt geht es immer um eine individuelle, Sportart-spezifische Einschätzung des persönlichen Umfelds, bestehender Strukturen, der körperlichen Konstitution, Ressourcen, Stärken und Schwächen, Fähigkeiten und Fertigkeiten und vor allem auch der Persönlichkeit. Auf Basis dieser status quo Einschätzung begleite ich dann hauptsächlich Sportler, aber auch Mannschaften, entlang eines auf sie abgestimmten Konzepts, mit klar definierten Zielen und Strategien. Die Balance-Entwicklung zwischen Leistungsfähigkeit und Regeneration ist dabei oft ein mit entscheidendes Thema.
In der Folge entwickelt sich ein klarer individueller Plan mit konkreten Zielen und Entwicklungsbausteinen. Letztlich bin ich dann in diesem Bereich, bildlich gesprochen, eine Art Architekt und Taktgeber.
Wie erlangt man so wichtige Kompetenzen, und welchen persönlichen Ansatz verfolgst du mit dem systemischen Coaching?
Die spezielle Mischung für meinen persönlichen systemischen Coaching-Ansatz ergibt sich aus einem besonderem Maße aus persönlicher Empathie, der Ausbildung im sport- und wirtschaftswissenschalftlichen Bereich und inzwischen über 20 Jahren Arbeit mit Spitzensportlern.
Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass mir der Mensch per se wichtig ist und ich ein Gespür für Menschen und Situationen mitbekommen habe. Haltung und die Vermittlung von Werten wie Loyalität, Vertrauen und Handschlagqualität sind für mich entscheidend, um längerfristig erfolgreich zu sein.
Was zeichnet die Athleten der JumpandReach-Familie aus, und wie kommen Sportler zur Aufnahme in den elitären Kreis?
Patrick: Im Allgemeinen sind alle in der JumpandReach-Familie dazu angehalten, ihre Persönlichkeit und Werte einzubringen. Es sollte ein vertrauliches Miteinander sein. Das gilt für alt und jung, Mitarbeiter und Sportler. Alleine das interessiert nicht unbedingt jeden.
Die Einzigartigkeiten einer jeden Persönlichkeit ergeben in Summe so etwas wie einen „bunten Haufen“ an besonderen Persönlichkeiten und Menschen, die sich bestenfalls in einem treffen sollten – in ihrem Charakter.
Sportler können einerseits an uns herantreten oder ich gehe auf Sportler zu. Dabei geht natürlich auch um sportliches Talent, für mich persönlich aber auch um das Zwischenmenschliche, die Persönlichkeit, spezielle Werte. Das Know How wird aber nicht nur exklusiv gebündelt. Seit letztem Jahr berate ich – über die JumpandReach-Familie hinaus – junge Nachwuchsathleten und 2 österreichische (bereits sehr bekannte) Spitzensportler in ihrer Entwicklung.
Wie oft trefft ihr Euch, und in welcher Konstellation?
Patrick: Das hängt von der Jahreszeit und der jeweiligen Drucksituation für den Sportler ab. Mehr Druck bedeutet mehr Kontakt. Bei Michi und Stefan ist das der Winter. Im Sommer sehen wir uns seltener, führen dafür aber längere Gespräche, organisieren Workshops und setzen nachhaltige Impulse zur fundamentalen, individuellen Weiterentwicklung.
Müsste man mentale Typen klassifizieren: Wie würden Sie Michael und Stefan einordnen?
Ein Klassifizierung ist schwer. Ihre Erfolge zeigen, dass sie etwas drauf haben, Anhand ihrer Persönlichkeiten haben sie unterschiedliche Zugänge, wie sie zu mentaler Stärke finden. Schwer vereinfacht ist Stefan der „Bauchgefühlmensch und „Pfeifdirnix.“ Wenn wir die richtige Balance finden, wird er zur Maschine. Michi ist der „rationale Kopfgesteuerte“, der Bewegungsmuster einschleifen kann wie kein anderer Sportler, den ich persönlich kenne. Wenn wir die richtige Balance finden, wird er zu Maschine! Man muss bei jedem Menschen die richtigen Punkte finden und weiterentwickeln. Jeder kann Hilfe brauchen, um seinen Weg zu finden.
Um den Fokus und die Konzentration über die Saison aufrecht zu erhalten, muss das gesamte Umfeld stimmen. Was für eine Rolle spielen Kooperationen und Sponsoren?
Ein stabiles Fundament im Sport, das Spitzenleistungen ermöglicht, kann nur in einem professionellen Umfeld entstehen. Wir bauen mit der JumpandReach Familie deshalb auf langfristige und starke Partnerschaften, die über den monetären Gegenwert weit hinausgehen. Die Kooperation mit Red Bull ist hier das perfekte Beispiel. Unsere Sportler können auf die Funktionalität des Red- Bull-Energy-Drinks vertrauen und darüber hinaus auf ein erfolgreiches Sportmarketing- und Athletennetzwerk zurückgreifen.
Wie gelingt es, die eigenen mentalen Skills zu verbessern?
Patrick: Man sollte die eigene Persönlichkeit weiterentwickeln, beginnend am Fundament. Versuchen, sich selbst besser kennenzulernen. Je mehr ich mich auf mich einlassen kann, desto besser lerne ich mich kennen, kann mich besser einschätzen und stärke so mein natürliches Selbstvertrauen. Bestenfalls lasse ich mich durch diesen Prozess führen. Ein guter Coach spürt schnell Entwicklungspotentiale und schlägt zielgerichtet Impulse vor.
Stefan und Michi, wie geht ihr mit Stress am Balken, beim entscheidenden Putt oder vor einem Pressetermin um?
Stefan: Ein Teil unseres Plans, den wir mit Patrick gemeinsam erstellen, besteht darin, dass wir gar nicht erst in „Stresssituationen“ kommen. Dabei versuchen wir einfach, bestmöglich vorbereitet in die verschiedenen Situationen zu gehen, das bestmögliche zu versuchen und herauszuholen.
Michi: Ein gewisser „Stress“ und eine gewisse „Anspannung“ gehören für mich dazu. Das macht auch den Reiz der ganzen Sache aus. Wir haben über die Jahre mit Patrick gelernt, wie wir mit solchen Situationen am besten umgehen. Dabei spielt die Vorbereitung, die Gedanken im Kopf, das Gesamtsystem eine große Rolle. Da geschieht schon eine Art mind setting. Das Learning aus dem Spitzensport hilft mir beim Golf spielen, aber auch in vielen anderen Situationen in meinem Leben.
Welcher Moment ist Euch als mental besonders fordernd in Erinnerung geblieben?
Stefan: Generell ist Skispringen eine Sportart, in der du mental sehr gut gerüstet sein musst, weil es eine mehr als sensible und auch gefährliche Sportart ist. Es muss immer alles auf den Punkt zusammen passen. So wie bei einem Golfschlag, nur ist der nicht so gefährlich ;-).
Für mich persönlich war der Weg zur Nordischen Ski WM 2019 die wahrscheinlich schwierigste und auch mental fordernste Zeit meiner Karriere. Bei den Österreichischen Meisterschaften im Oktober 2019 war ich irgendwo jenseits der20 platziert, mental und körperlich komplett neben mir und von einer Medaillen gefühlt MEILENWEIT entfernt. Genau dort hat mich Patrick zur Seite genommen und wir haben gemeinsam alles auseinander genommen und dann wieder neu zusammengesetzt. Das Selbsvertrauen war dann als kleines Pflänchen wieder da und ist über die Saison Schritt für Schritt wieder gewachsen. Dass ich dann 4 Monate später mit 3 Medaillen von Seefeld nach Hause gekommen bin war unfassbar!
Michi: „Ich denke, die Situation am Balken ist immer fordernd. Es geht darum, zu lernen, bestmöglich damit umzugehen. Den Druck, gewinnen zu wollen, trägt man sowieso immer mit sich herum. Ich persönliche finde, dass das restliche Jahr mindestens genauso fordernd ist. Da hat man auch viel mehr Zeit zum Nachdenken. Am Balken sitzt du oben, dann geht es nur mehr abwärts.
Welche Rolle spielt das richtige Mindset? Im Skisprungsport, beim Golfen und im ganz normalen Leben?
Michi: Für mich persönlich extrem wichtig, ich kann meinen Zugang zu diversen Herausforderungen im Leben anwenden, nicht nur fürs Skispringen. Auch beim Golf geht es um viel mehr als nur den optimalen Schwung. Das ganze rundherum und ein gutes Konzept sind mindestens genauso wichtig.
Stefan: Am Anfang war ich da ein wenig skeptisch, aber über die Jahre und die Erfahrungen habe ich gespürt, wie essentiell wichtig es ist, eine Struktur zu haben und diese stets weiterzuentwickeln. Ich merke aber auch, dass es mir gut tut, begleitet zu werden, denn man verliert sich auch oft.
Patrick: Irgendwie dreht sich doch das ganze Leben um mindsetting. Es heisst ja nichts anderes, als möglichst gut vorbereitet zu sein, auf das was kommt. Je besser ich das erledige, desto ruhiger kann ich agieren. Je komplexer die Aufgabenstellung im Sport, aber auch im normalen Leben, desto wichtiger wird das Mindset.
Skispringer sind Einzelsportler, dennoch inszeniert ihr euch in der Öffentlichkeit als Team. Liegt die Wahrheit in der Mitte? Wir profitieren Einzelsportler von einer starken Mannschaft?
Michi: Natürlich sitzt du vor dem Sprung alleine am Balken, kannst dich nicht mehr auf das Team stützen und musst alleine für dich kämpfen. Aber was rundherum das ganze Jahr passiert, ist auch Teamsache.
Stefan: Jeder Trainingskurs, jedes Stützpunktraining lebt von seinem „Schmäh“ und dem Spaß im Team. Ohne ein gut eingespieltes Team wäre Vieles nicht so leicht. Obwohl es im Springen viele Einzelbewerbe gibt, sind Erfolge mit dem Team die schönsten, weil du die Freude teilen kannst. Die Silber-Medaille mit dem Team bei der Nordischen Ski WM 2019 daheim am Bergisel war unglaublich toll.
Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Skispringen und Golf?
Stefan: Für mich ist Golf ein Ausgleich, der mir sehr viel Spaß macht, bei dem aber auch die Konzentration und der Fokus im Mittelpunkt steht. Diese akribische Genauigkeit, mit der du beim Skispringen an die Sache herangehen musst, kannst du beim Golf auch gut gebrauchen. Mir gelingt das allerdings beim Skispringen um einiges besser als beim Golfen… 😉
Michi: Skispringen und Golf haben mit Sicherheit die große Gemeinsamkeit, dass kleine Details und Veränderungen sehr große Auswirkungen haben. Z.B. wie man das Tee beim hineinsteckt, etwas höher, etwas tiefer, hat eine große Auswirkung auf die Flugkurve des Balles. Oder wenn man mit der Hüfte oder den Armen eine Kleinigkeit unsauber oder anders macht, kann der Ball sehr schnell überall hingehen. Und genau so ist es auch im Skispringen – kleine Veränderungen und Details haben sehr oft große Auswirkungen. Mindestens genauso wichtig ist das rundherum, die Vorbereitung auf das Spiel, die Arbeit und das Üben über das Jahr. Wenn du ganz vorne dabei sein willst, musst du die richtigen Dinge richtig tun. Ohne üben, üben, üben, geht gar nichts.
Habt Ihr mentale Tipps für uns, von die jeder Mensch profitieren kann?
Patrick: Egal ob als Sportler, Wirtschaftstreibenden, im Büro oder auf dem Golfplatz. Man sollte stets versuchen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und den Fokus nicht zu verlieren. Man sollte sachliche Analysen zulassen, kritikfähig bleiben und auch Rat einholen. Oft braucht man im Leben einfach Menschen, die einen unterstützen, objektiv die Meinung sagen und auch in schwierigen Zeiten für Stabilität sorgen. Nur so kann man auch agieren und nicht nur reagieren. Ein Plan ist dabei immer hilfreich.
Könnt ihr der aktuellen Krise etwas Positives abgewinnen? Wie schafft man es, eine Niederlage für sich zu nutzen, anstatt daran zu scheitern?
Patrick: Man kann die Krise schon ein stückweit als „Chance“ sehen. Die extreme Schnelllebigkeit unseres Lebens und unseres Alltags ist abrupt gestoppt worden – das kann für manche von uns durchaus positiv spürbar sein, ist aber für viele wiederum eine sehr schwierige Situation. Kinder beispielsweise wurden in ihrer Bewegungsfreiheit extrem eingeschränkt, dabei ist der Sport und die Bewegung in jungen Jahren essentiell wichtig. Die Krise hat uns in vielen Situationen und Systemen Schwächen aufgezeigt. Ich sehe sie als als Chance, Strukturen nachhaltig weiterzuentwickeln, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
Seit wann, wie regelmäßig, und mit welchem Handicap spielt ihr Golf?
Patrick: ich spiele seit 2001 mehr, oder besser gesagt weniger Golf. Mein Anspruch war immer, den Sport so gut erlernt zu haben, damit ich mit guten Freunden eine Runde und eine gute Zeit verbringen kann, ohne als Bremsklotz mit dabei zu sein – das ist mir inzwischen gelungen. Viel wichtiger war aber die Erkenntnis, dass einem das Golfspielen schonungslos die eigene Persönlichkeit vor Augen führt. Mit Golf kann man perfekt an den eigenen Persönlichkeitsmerkmalen arbeiten. Am besten mit Plan!
Michi: Ich spiele bereits seit einigen Jahren Golf und habe die Leidenschaft dafür gleich von Anfang an entdeckt. Ich habe mir beim Golfen alles selbst beigebracht und mit diversen Lehrvideos vieles von den richtigen Profis abgeschaut. Es gab eine Zeit, da habe ich viel auf der Drivingrange verbracht, das ist jetzt weniger geworden. Golf ist ein wichtiger Ausgleich für mich und neben dem Skispringen sicher eine meiner großen Leidenschaften. Ich habe mittlerweile Handicap 8,7 und versuche regelmäßig zu spielen, wenn es die Zeit und der Trainingsplan zulässt.
Stefan: „Ich spiele nur gelegentlich Golf und versuche zwar mich jedes Jahr für die Skijumpers‘ Golf Trophy fit zu machen, mehr als ein paar Runden sind aber dennoch nie drinnen. Golfen gehe ich dann vor allem Michi und Patrick zu liebe ;-), denn mit den richtigen Flightpartnern macht es großen Spaß. Für mich ist Golf eher etwas für den Kopf und weniger für die Seele.