Jung bleiben, alt werden

Im Gespräch mit Martin Angerer verrät Dr. Slaven Stekovic, dass Langlebigkeit kein Wunder, sondern machbar ist, was es mit Biohacking auf sich hat und was neue Technologien für uns tun können.

Das eigene Altern selbst in die Hand nehmen und beim Älterwerden möglichst jung bleiben: Wie das geht, erklärt Molekularbiologe Dr. Slaven Stekovic in seinem neuen Buch „Jung bleiben, alt werden“, das gerade die Spitze der Bestsellerlisten für Wissenschaftsliteratur erobert. Bereits das Erstlingswerk des Forschers beschäftigte sich mit einem ähnlichen Thema: In „Der Jungzelleneffekt“ erläutert Stekovic die vielen Vorteile des heilsamen Fastens, wie Nahrungskarenz auf molekularer Ebene die körpereigene Müllabfuhr (Autophagie) aktiviert und welche Nahrungsmittel dem Stoffwechsel besonders zuträglich sind. Auch das neue Buch schlägt in dieselbe Kerbe: mit ein wenig Lesezeit viel gute Lebenszeit gewinnen.

Das Thema „Langlebigkeit“ ist derzeit im Trend. Es gibt bereits recht umfangreiche Publikationen dazu. Was hat Sie motiviert, ebenfalls darüber zu schreiben, und was macht Ihr Buch besonders?

In den letzten Jahrzehnten wurden einige neue molekulare Methoden entwickelt, die uns einen tieferen Einblick in die Biologie der Menschen ermöglichen. Dazu haben die Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz einen effizienteren Umgang mit biologischen Daten ermöglicht. Somit ist ein „Perfect Storm“ in der Langlebigkeitsforschung, oder „Longevity“, wie es die Übersee-Kollegen nennen, entstanden. Was das für jeden Einzelnen von uns bedeutet und in welche Richtung sich die Forschung und Technologie bewegen, sind die zwei wichtigsten Gründe, warum ich dieses Buch geschrieben haben. Ich wollte einmal kompakt und verständlich unsere Erkenntnisse aus den letzten Jahren und Jahrzehnten zusammenfassen, damit jeder Leser und jede Leserin gut ausgestattet ist, etwas für die Gesundheit und Langlebigkeit zu tun. Dass wir älter werden, ist kein Geheimnis, aber das Ziel ist, dabei gesund alt zu werden. Dieses Buch sollte ein guter Einstieg in diese Welt sein.

Bei Longevity denkt mancher vielleicht an Frankenstein und Hightech-Medizin. Sie behaupten: „Langlebigkeit ist kein Wunder, es ist für jedermann machbar.“ Was genau meinen Sie damit?

Jedes Jahr wird eine neue Anti-Aging-Pille entwickelt und uns allen als Wunderheilmittel angeboten. Während die meisten dieser neuen technologischen Fortschritte ihre Daseinsberechtigung haben, ist deren Anwendung nicht immer der beste Weg zur Gesundheit. Oft sind es die einfachen Sachen, die unsere Gesundheit am besten unterstützen – die ausgewogene Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität, gesunder Schlaf und soziale Umgebung. Wie man aber mit den Hightech-Lösungen umgeht und wofür manche davon nützlich sind, wird auch im Buch angesprochen. Eine Kombination aus verschiedenen und vor allem personalisierten Interventionen ist der beste Weg zur Gesundheit. Also kein Wunder, sondern einfach eine komplexe Fragestellung, die mithilfe der neuen Technologien leichter zu beantworten ist.

Biohacking ist ein Trendwort, das immer öfter zu hören ist. Inwieweit hängt es mit Langlebigkeit zusammen?

Einer der wichtigsten Aspekte des Biohackings ist die Langlebigkeit. Aus der Biohacking-Perspektive wird allerdings die Biologie „umgangen“ bzw. „gehacked“, um aus dem Körper das Maximum rauszuholen. Dabei wird oft „Trial and Error“ als Methode der Wahl verwendet, was teilweise gravierende Konsequenzen auf die Gesundheit und eventuell sogar eine verkürzte Lebensspanne mit sich bringen kann. Dagegen dürfen aus der Sicht der Wissenschaft und der Medizin nur evidenzbasierte Lösungen angewandt werden – ein Prinzip, das beim Biohacking oft vernachlässigt wird. Somit zielen die Wissenschaft und die Medizin da­rauf ab, dass die Biologie nicht umgangen, sondern genutzt wird – eine Form von Gleichgewicht zwischen den kurzfristigen Effekten und langfristigen Konsequenzen, egal ob positiv oder negativ. Ich möchte aber auch anmerken, dass es einige positive Seiten von Biohacking gibt. Einige bahnbrechende Ansätze für die Langlebigkeit sind aus diesem Bereich gekommen. Daher sehe ich die Zusammenarbeit der zwei Communities als durchaus positiv, solange die ethischen Prinzipien und die Gesundheit der Einzelnen im Vordergrund bleiben.


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Sie sind ein junger österreichischer Wissenschaftler, der global lehrt und forscht. Wo steht Österreich im internationalen Vergleich bei der Forschung zur Langlebigkeit?

In Österreich gibt es einige Spitzenforscher in diesem Bereich. Auch wenn die meisten unserer Erkenntnisse anderswo umgesetzt werden, sehe ich Zentraleuropa mit Österreich als eine der zentralen Regionen in der Langlebigkeitsforschung. Teilweise haben wir das der guten medizinischen Versorgung im Lande zu bedanken, aber auch sehr guten Universitäten, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen. Wir haben in Österreich eine lange Tradition in bahnbrechenden Fortschritten in der Medizin und dieses Erbe hoffen wir, gut weiter tragen zu können. Woran wir manchmal scheitern, ist die Kommerzialisierung neuer Technologien, wobei auch hier in den letzten zehn Jahren einiges besser geworden ist. Solange wir für neue Ideen offenbleiben, sehe ich die Zukunft durchaus positiv.

Haben Sie einen anderen Blick auf das Thema als Ihre amerikanischen Kollegen?

Die Wissenschaft kennt keine Grenzen. Es mag sein, dass unsere Kollegen in den USA „größer“ als wir träumen, was dazu führt, dass auf der Basis deren Forschung große Unternehmen entstehen. Dabei bleiben die ethischen Überlegungen oft unberücksichtigt. Wie wirken sich neue Technologien auf die Gesellschaft aus? Mit welchen Konsequenzen müssen wir in Zukunft dadurch rechnen? Bauen wir dadurch mehr Ungleichheit in unserer Gesellschaft auf? In Europa und damit auch in Österreich werden die ethischen Überlegungen oft gleich am Anfang miteinbezogen. Ich versuche, aus beiden Welten das Beste zu nehmen – große Ziele und Ideen sind „Jet Fuel“ für die Wissenschaft und Entwicklung neuer Technologien, aber diese sollten nicht um jeden Preis verfolgt werden. Jeder von uns trägt eine gesellschaftliche Verantwortung und soll sich selbst auch kritisch betrachten. Daher betone ich gerne immer, dass „Alterung“ und „Langlebigkeit“ eigentlich Sammelbegriffe sind und darunter einige biologische Ereignisse fallen. Sie richtig zu identifizieren und darauf maßgeschneiderte, vorsorgende Interventionen einzusetzen, ist das, womit ich mich am meisten beschäftige.

Vieles, was medizinisch, vor allem aus Übersee, in Entwicklung ist, mutet futuristisch an. Wie sehr können und werden diese Dinge wirklich beim „Otto-Normalverbraucher“ in München oder Wien ankommen? Werden alle Menschen Zugang zu dieser Technik haben? Und wird man sich das auch leisten können?

Ich bleibe positiv – ja! Die Frage ist nur, wann es so weit sein wird. Aktuell sind viele der Langlebigkeitstechnologien sehr teuer. Bryan Johnson, ein amerikanischer Tech-Milliardär, gibt jedes Jahr zwei Millionen Dollar für seine Langlebigkeit aus. Seine Lebensweise ist viel mehr eine zeitliche als finanzielle Investition. Sein kompletter Lebensstil dreht sich um die Langlebigkeit, was dabei rauskommt, ist sehr gut dokumentiert. Für die meisten ist das wahrscheinlich nicht der richtige Zugang. Manche der Methoden, die er nutzt, sind jetzt schon für große Massen leistbar – so zum Beispiel bestimmte Trainingsroutinen oder Meditationsmethoden. Der große Teil davon ist aber immer noch zu teuer für die breite Anwendung. Ich glaube aber, dass in zehn Jahren schon einiges davon leistbar sein wird. Wir werden natürlich in der Zwischenzeit dann wieder einige neue Erkenntnisse gewonnen haben, wodurch die nächste Generation „unleistbarer“ Technologien geschaffen wird, aber dabei wird letztlich immer die breite Anwendung als Endziel gesehen. Somit denke ich schon, dass wir in Zukunft unsere Gesundheit durch neue und leistbare Lösungen unterstützen werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Slaven Stekovic ist Molekularbiologe und Unternehmer im Bereich der Langlebigkeit, Alterung und altersassoziierten Erkrankungen und forschte an der Karl-Franzens-Universität in Graz. 2018 schrieb er den Bestseller „Der Jungzelleneffekt“, in dem er die Effekte der Autophagie und des periodischen Fastens auf die Alterung beleuchtete. Als einer der führenden jungen Köpfe in diesem Bereich wurde er mehrmals ausgezeichnet und kam auf die Forbes 30-under-30-Liste. Stekovic ist leidenschaftlicher Golfspieler, unterrichtet an mehreren europäischen Universitäten, unter anderem in Cambridge, und beschäftigt sich vorwiegend mit der Anwendung der wissenschaftlichen Entdeckungen und neuen Technologien in den realen Umgebungen.

Martin Angerer
Martin Angerer
Martin Angerer ist Chefredakteur bei Perfect Eagle Golf & Head of Digital Media.

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