Mit Klangmustern das Spiel verbessern? Klang für unseren Redakteur Timo Schlitz eher mysteriös, als er es zum ersten Mal hörte. Doch eine zweistündige Session mit Professor Chia Chou von Audio Golf und ein Mannschaftsturnier am nächsten Tag klärten auf. Ein Selbstversuch.
Deutschland und seine Skepsis. Da kann ich mich leider nicht ausnehmen, auch wenn ich inzwischen – dank viel Yoga – ein offenerer und sehr interessierter Mensch geworden bin. Aber warum ausgerechnet ein Konzertpianist, der nicht Golf spielt, das Spiel revolutionieren soll, ist mir nicht ganz klar. Neugierig bin ich trotzdem, als ich mich an einem Samstagvormittag mit Professor Chia Chou in Valley bei München treffe. Chou ist eigentlich Konzertpianist, gebürtiger Kanadier und heute Musikprofessor für Kammermusik an der Kunstuniversität Graz.
Wir unterhalten uns und als Basketballfan zeigt er mir einen jungen Spieler des FC Barcelona. Der Junge ist deutlich über zwei Meter groß und hat das klassische Problem eines „Big Man“: Seine Freiwürfe sitzen nicht. Professor Chou erzählt, dass er kurz mit seinem Trainer gesprochen und dann mit dem Jungen ein individuelles Klangmuster eingeübt hat, das er beim Wurf wie ein Mantra im Kopf wiederholen soll. Auf Chous Smartphone bestaune ich das Ergebnis: Ein Freiwurf nach dem anderen findet den Weg ins Netz. Als ehemaliger Vereinsspieler bin ich beeindruckt. Chou betont, dass er selbst nicht spielt. Genau wie Golf. Auch von anderen Sportarten hat er wenig Ahnung – und hilft den Sportlerinnen und Sportler trotzdem. Denn Rhythmus und Tempogefühl braucht jeder. Das ist ein bisschen wie beim Tanzen: Wenn man genau beschreiben müsste, wie die Bewegung geht, würde man sich schwer tun. Man muss einfach loslassen und der Musik folgen.
Los geht’s mit dem Putten
Auf dem Putting-Grün beginnt das Seminar. Zuerst geht es um einen etwa sechs Meter langen Putt und die Distanzkontrolle. „Ya-la-bam“ lautet der Begriff, den ich dafür verwenden soll. Chou spricht mehrfach vor und unterstreicht den Klang mit einer Handbewegung. „Ya-la“ ist dabei die Länge des Rückschwungs und beim „B“ von “bam“ wird der Ball getroffen. Ich putte fünf Bälle auf Länge ohne Ziel und sie bleiben wenige Zentimeter voneinander entfernt liegen. Das ist ganz einfach umzusetzen. Dann spiele ich ein paar 6-Meter-Putts auf ein Loch. Erstaunlich ist, dass die Putts alle sehr gut getroffen sind, da ich beim mantraartigen Aufsagen des Begriffs an nichts anderes denken kann. Trotzdem bin ich noch nicht ganz überzeugt, da ich mein Putten als sehr gut bezeichnen würde und auch selten Probleme mit der Längenkontrolle habe.
US-Putt-Guru als Testimonial
Andererseits ist auch der Brad Faxon ein großer Fan und Unterstützer von Audio Golf – und der Mann kann putten wie kein anderer. Faxon hat acht Mal auf der US PGA Tour gewonnen und zweimal am Ryder Cup teilgenommen. Dabei war immer klar, dass er nicht der Beste vom Abschlag ist. Stattdessen hat sich der heute 61-Jährige den Ruf als einer der besten Putter auf der US-Tour erarbeitet. In den Jahren 1996, 1999 und 2000 führte er die Tour in der Kategorie „Putting Average“ an. Inzwischen hilft Faxon dem einen oder anderen Superstar, darunter Rory McIlroy.
Doch zurück ins oberbayerische Valley! Wir machen jetzt ein paar Pitches und Chips, denn damit habe ich seit einiger Zeit Probleme. Ein minimaler Yip in der linken Hand wurde vor einigen Jahren „diagnostiziert“. Beim Putten stört mich das nicht, aber in Stresssituationen versagt mein Chippen leider viel zu oft und wird zum Glücksspiel. Prof. Chou bittet mich, diesen schlechten Schlag zu spielen, was mir nicht gerade leicht fällt. Aber schließlich schaffe ich es, ihm diese Schlagtendenz – schön dünn, leicht getoppt – zu Gehör zu bringen. Und auch den Schwung, wenn alles gut geht. Er gibt mir verschiedene individuelle Klangmuster und wir probieren etwa 20 Minuten herum. Es funktioniert, aber auf der Driving Range spüre ich wenig Druck.
Kurzfristig beschließe ich, an diesem Tag einen kompletten Kurs zu begleiten, um zu sehen, wie das Programm abläuft, wenn eine ganze Gruppe von Golfern mit Audio Golf in Berührung kommt. Die neun Teilnehmer, darunter zwei Frauen, finden sich auf dem Putting-Grün ein und der Pro erklärt, wie die nächsten zwei Stunden ablaufen und was zu tun ist. Mit dabei ist Teaching-Pro Daniel Kleiner, der unterstützt und die Schläge vormacht.
Ich sehe viele verschränkte Arme und eine gewisse Skepsis bei den meisten Teilnehmern, die zwar knapp 200 Euro bezahlt haben, aber nicht wirklich glauben, dass sich ihr Spiel ändern könnte. Nach Einheiten auf dem Putting- und Pitching-Grün (15 und 30 Meter) geht es schließlich auf die Driving Range, wo jeder einen Eimer mit Bällen vorfindet und seinen Driver zücken soll. Diesmal präsentiert Prof. Chou nacheinander drei Klangbeispiele, die alle ausprobiert werden sollen. Dann entscheidet man sich, welches am besten zum eigenen Schwung passt. Auch hier ist die Auswahl einfacher als man denkt. Ich probiere es selbst aus und entscheide mich schnell für das erste, das vom Tempo her zu meinem eher kurzen Rückschwung passt. Die beiden anderen sind jeweils etwas länger, was eine längere Ausholbewegung unterstützen dürfte.
Was mich dann wirklich fasziniert ist das Ende der rund zweistündigen Session. Ich stelle mich an den Rand der Gruppe und schaue zu, wie die Kursteilnehmer Drives schlagen. Dabei sehe und höre ich ausnahmsweise satt getroffene Bälle. Es scheint mir, als wären plötzlich alle in einer Art Flow und würden den Ball nach ihren individuellen Möglichkeiten nahezu ideal treffen. Ob das wohl auch auf dem Platz funktioniert?
Der Test: Zählspiel für die Mannschaft
Einen Tag später springe ich für die 2. Herrenmannschaft ein und spiele in Leitershofen bei Augsburg. In diesem Jahr habe ich noch kein Turnier für die Mannschaft gespielt, weil ich einfach keine Scores auf die Karte bringe. Selbst an guten Tagen sind die Ergebnisse nicht besser als 7 oder 8 über Par, dann aber meist mit 26 Putts auf der Runde. Ich benutze an diesem Tag fünf Soundmuster: je eins für den Driver (und die Hölzer), den Chip bis etwa 15 Meter und den etwas längeren Pitch. Außerdem je eins für die kurzen Putts von 1 bis 2 Metern und den 6-Meter-Putt.
Die Bedingungen sind gut, aber der Wind bläst ordentlich und wechselt häufig. Fast wie immer beginne ich scoremäßig schwach, obwohl ich keinen wirklich schlechten Schlag spiele. Ich habe etwas Pech bei einem Bounce und kassiere einen Wasserball. Zwei Putts aus etwa eineinhalb Metern verfehlen das Loch – ich habe mich schlichtweg verlesen, was heute noch öfter passieren sollte. +4 nach drei Löchern. Mein Mitspieler liegt bei -2, die anderen sind auch besser als ich. Okay, es kann nur besser werden.
Wird es auch. Vom Abschlag spiele ich ausnahmslos gute bis sehr gute Drives. Rhythmus und Geschwindigkeit stimmen einfach. Bei den Pitches sieht es ähnlich aus. Zwei Mal schaffe ich es den Ball aus 60 und 70 Meter tot an den Stock zu legen. Nach 9 Löchern liege ich bei +1, nach 18 Löchern bei 74 Schlägen (+2). Das Spannende für mich an diesem Golftag ist aber: Es war nichts Verrücktes dabei. Ich hatte kein besonderes Glück, es war einfach alles sehr solide. Vieles davon aus Situationen, in denen ich in den letzten Wochen und Monaten sicher den einen oder anderen hohen Score fabriziert hätte. Aber dank des imaginären Klangmusters, das ich ein bisschen wie ein Mantra beschreiben würde, war ich ständig in einem leichten Flow. Das ist ein Zustand, den ich kenne, den ich aber im Golf nur sehr selten über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten konnte.
Erstes Fazit
Mein erster Eindruck ist, dass Audio Golf und die Fähigkeiten von Chia Chou ein echter Game Changer für Golfer fast aller Spielstärken sind. Die Klangmuster helfen mir, die Gedanken im Kopf während des Schlages auszuschalten. Das heißt nicht, dass man nicht mehr trainieren muss oder plötzlich ein anderer Spieler ist, aber es hilft, den Fokus zu finden und die eigene, intuitive Bewegung des Schlages abzurufen.
Meister am Klavier
Chia Chou wurde in Taiwan geboren, wuchs in Kanada auf und studierte Klavier an der Musikhochschule Stuttgart. 1981 gewann er als jüngster Teilnehmer den Internationalen Klavierwettbewerb in Sydney. 1987 gewann er die Bronzemedaille beim legendären Concours Reine Elisabeth in Brüssel. Nach zahlreichen Konzerten in aller Welt wird Chia Chou als Pianist des Trio Parnassus mit dem „Echo Klassik“ der Deutschen Phono-Akademie ausgezeichnet. Er ist Professor für Kammermusik an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz.
Info: Audio Golf
Der zweistündige Kurs mit Chia Chou und einem Teaching-Pro kostet 197 Euro. Pro Kurs sind maximal zehn Teilnehmer zugelassen.