Golfrepublik China

In der Weltwirtschaft rüttelt die Volksrepublik China zusehends am hegemonialen Thron der Vereinigten Staaten, kaum ein Weg führt hier noch am Fernen Osten und dem Reich der Mitte vorbei. Nur wie ist es mit dem Flug des Golfballes? Auch er erreicht im bevölkerungsreichsten Land der Erde teilweise ungeahnte Höhen, bekommt aber gleichzeitig Gegenwind durch ein schweres historisches Erbe und zeitweise chaotische Verhältnisse in der Gegenwart. Mit enormem Wachstumspotenzial ist dennoch eine Golfweltmacht China am Horizont zu erkennen – auch wenn der Weg dorthin lang sein könnte.

Der frühe Morgen lässt den Blick gen Osten schweifen, vor müden Augen erwacht die Welt. Am endlosen Horizont, über Bergen und Tälern, Seen und Meeren, steigt er empor, der helle, Leben bringende Feuerball. Die Sonne, sie geht ihrem Tagwerk entgegen und schwingt sich in die blauen Himmel hinauf. Abends dann kehrt sie wieder heim, zurück zu ihrem Ruheort. Sie senkt sich nieder in ihr nächtliches Bett, bis sie dann im Westen ganz verschwunden ist. Was bleibt, ist Dunkelheit und finstere Nacht.

Nicht wenige Intellektuelle sehen heute im täglichen Lauf der Sonne eine Metapher für die Kräfteverhältnisse des Planeten. Im Fernen Osten schwingt sich ein früheres Kaiserreich in neue Höhen auf und will mit reformiertem Elan an vergangene Dynastien anknüpfen. Gleichzeitig senkt sich das Licht über leuchtende Epochen des Westens, in dem große Nationen zusehends an Glanz und Macht einbüßen. Die Volksrepublik China hat längst eine bedeutende Rolle auf dem ökonomischen Schachbrett der Erde eingenommen, sei es durch ihre Unabdingbarkeit für internationale Lieferketten, die „Neue Seidenstraße“ oder den Nachdruck, mit dem chinesisches Kapital in die Weltmärkte drängt.

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Es ist eine Realität, die abseits der damit verbundenen Chancen von einigen Beobachtern als Bedrohung wahrgenommen wird, geht sie doch einher mit geopolitischen Interessen, ethischen Fragen über Menschenrechte und ideologisch geprägten Machtansprüchen. Unter dem Strich ist es eine Entwicklung, die sich in vielen Bereichen des Lebens in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen hat und sich in Zukunft wohl weiter verfestigen wird. Ein Bereich, wo Chinas Aufstieg zumindest im Vergleich zu anderen Branchen oder in Anbetracht der über 1,4 Milliarden Einwohner noch in den Kinderschuhen steckt, ist der Golfsport. Doch langsam, aber sicher wächst auch er aus eben jenen heraus. 

Mao macht Golf zum Kapitalverbrechen

Lange Zeit kann der „rote Drache“ mit der kleinen weißen Kugel nicht wirklich etwas anfangen, was vor allem historisch begründet ist. Zwar hat das britische Empire mit der Kronkolonie Hongkong und ausgedehnten Handelsinteressen lange gewichtige Autorität im Fernen Osten, der kulturelle und sportliche Einfluss hält sich dafür auf dem chinesischen Festland eher in Grenzen.

Nach dem Bürgerkrieg 1949 denunziert Revolutionsführer Mao Zedong, der sein Land in den darauffolgenden Jahrzehnten in einem brutalen und festen Griff haben soll, Golf als einen „Sport der Millionäre“, der inkompatibel sei mit dem sozialistischen Selbstverständnis und den gesellschaftlichen Prinzipien der Kommunistischen Partei. Der Sport würde, entgegen Meinungen im mit Argwohn betrachteten Westen, wo das Spiel als charakterbildend gilt, Korruption und kapitalistisches Gedankengut fördern. Bis in die frühen Achtzigerjahre ist Golf in China offiziell verboten und erblickt erst wieder nach Maos Tod sowie den darauf einsetzenden Modernisierungen unter Deng Xiaoping das Licht der chinesischen Welt. Im Jahre 1984 eröffnet dann mit Chung Shan Hot Springs der offiziell erste Golfplatz in China.

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In den nächsten vier Jahren folgen gerade einmal acht weitere Kurse, von einem Golfboom kann keine Rede sein. Dieser entwickelt sich erst allmählich, auch mit privaten Investoren, die in der globalen Sportart gewichtiges Wachstumspotenzial erkennen.

„Als mein Vater Dr. David Chu damals entschieden hat, in Golf zu investieren, war das eine große Überraschung für viele“

Ken Chu, gründete mit seinem Bruder Tenniel die Mission Hills Group und damit die zwei größten Golfkomplexe der Welt.

„Golf war praktisch nicht existent in China, aber als Visionär hat mein Vater die Chancen der Reformen und Golf für sich entdeckt.“ Heute folgen auf Chinas vereinzelte frühe Golfpioniere eine Vielzahl finanzstarker Investoren, die das Potenzial von Golf als ertragreicher Wirtschaftszweig zu schätzen wissen. Die Zahl der Milliardäre steigt in China so rasant wie in keinem anderen Land, sogar im von Covid-19 beeinträchtigten Jahr 2020 stießen 238 neue Gesichter zu diesem exklusiven Klub hinzu. Gerade diese Menschen sind es oft, die im Hintergrund enorme Projekte in der Golfwelt anschieben oder sich mit prestigeträchtigen Golfclubs schmücken wollen. In der letzten Dekade steigen viele chinesische Investorengruppen in den US-amerikanischen Golfmarkt ein, kaufen Kurse teilweise im Dutzend als Portfolio und machen andernorts auch vor alten Traditionen nicht Halt. So ist zum Beispiel der altehrwürdige Wentworth Golf Club in Surrey, geradezu ein Symbol für „old English money“, im Besitz eines Chinesen und dessen Investment Company.

Der Golfball rollt oft in verschiedene Richtungen

Doch so wie es hier vor den Toren Londons Unstimmigkeiten zwischen Milliardär Yan Bin, der die Rechte für Red Bull in China besitzt, und den alteingesessenen Mitgliedern ob unterschiedlicher Mitgliedschaftsvorstellungen gibt, so stellt sich auch die Kreation anderer Golfimperien in Übersee für viele Chinesen als kompliziert heraus. Kulturelle und geschäftspraktische Unterschiede treten beim Management von Golfanlagen schnell ans Tageslicht und beeinträchtigen das alltägliche Business. Die Führung in Peking bestimmt als staatliche Obrigkeit bei vielen Auslandsinvestitionen mit und limitiert verfügbare Summen, welche für Großprojekte in Frage kommen würden.

Pacific Links International zum Beispiel kann kein wirkliches Geld aus China herausbekommen“, sagt Jeff Woolson, der mit seiner Firma CBRE unter anderem den Makaha Golfclub managt, der dem Unternehmen des chinesisch-kanadischen Unternehmers Du Sha gehört. Erst kürzlich scheiterte das ambitionierte Projekt auf Hawaii und mittlerweile steht das Resort wieder zum Verkauf. Ein Schicksal, das über die Jahre auch einige andere von Chinesen anberaumte Golfprojekte in den USA ereilt.

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In der Heimat rudern Golfindustrie und politische Führung ebenfalls selten in die gleiche Richtung, ein Phänomen, das schon seit fast zwei Jahrzehnten eines von vielen perfekten Beispielen dafür liefert, warum China als Land der Gegensätze gilt. Denn während private Investoren im Reich der Mitte nach der Jahrtausendwende immer mehr Golfplätze aus dem Boden stampfen, schiebt die Politik dieser Entwicklung per Baustopp 2004 zum Schutz von Wasser- und Umweltressourcen einen Riegel vor.

Ironischerweise verdreifacht sich die Anzahl der Anlagen in der folgenden Dekade, „Guanxi“, wie die Chinesen persönliche Netzwerke nennen, sei Dank. Plätze werden künftig von lokalen Offiziellen einfach als „öffentliche Sportparks“ oder „Erholungszonen“ deklariert. Staatschef Xi Jinping, seit 2012 im Amt, macht es sich zur Hauptaufgabe, die aktive Korruption im Land einzudämmen und man zieht dabei auch die Stellschrauben gegen die Golfindustrie härter an. Mehrere Anlagen werden dicht gemacht und ein offizielles Golfverbot für die Kommunistische Partei erlassen, in der es immerhin mehr Mitglieder als in Deutschland Menschen gibt.

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