Survival of the FITTEST

Früher hatten viele vom Profigolfer ein ganz bestimmtes Bild im Kopf: merklicher Bauchansatz, unterirdisch geschmacklose Klamotten, alles andere als sportliches Auftreten. Ein aktueller Blick auf die Fairways dieser Welt zeigt, wie überholt dieses Vorurteil ist.

Sport oder nicht Sport – wie oft war es schon die Frage in Bezug auf den wunderschönen Zeitvertreib namens Golf. Die einen argumentieren seit jeher mit Zahlen und Herausforderungen, sehen sich letztendlich aber gewichtigen Argumenten von Verächtern des Spiels gegenüber. Dabei gab es eine Zeit, wo die großen Profitouren relativ wenig dafür taten, Golfes Ruf als Spiel für beleibte Manager oder ungelenke Biedermänner zu widerlegen. Vielmehr dominierten oftmals Persönlichkeiten das Bild der Touren, die irgendwo in Richtung klassisch-britischer Fairway-Fashion vom Weg abgekommen und bei brutal-beigen Entschuldigungen angelangt waren, die wohl nur ganz wohlwollende Zeitgenossen aus heutiger Sicht noch als Mode bezeichnen würden. Aber die Kleidung war nur das eine, viel mehr amüsierten sich Nicht-Golfer auch über den Fitness-Zustand so einiger Schläger-Virtuosen. Denn selbst die weitesten Ballon-Buchsen oder 5XL-Polos vermochten nicht, die schmalen Schultern, den „Pot Belly“, die Rettungsringe oder die goldenen Hüften der steifen Profis zu ver- stecken. Und dann passte auch noch der aufstrebende Jungstar des Spiels, ein gewisser Jack Nicklaus, in seinen Anfängen voll in das Bild vom unsportlichen Sport, bedachte man ihn doch mit eher weniger charmanten Nicknames wie „Ohio Fats“ oder „Baby Beef“.

Tiger Woods schiebt eine Revolution an

Spätestens mit seinen monumentalen Siegen gerieten jene Kosenamen irgendwann in Vergessenheit, in gleichem Maße verhält es sich heute mit dem Anblick eines „sloppy“ Profigolfers, der wie alles andere aussieht, nur nicht wie ein Athlet. Erscheinungen wie 110-Kilo-Mann „Porky“ Oliver aus den 1940er- und 1950er-Jahren, bei einer Körpergröße von 1,75 Metern wohlgemerkt, oder Schwimmeinlagen des „Walrus“, wie sie einst Craig Stadler riefen, werden immer rarer, wenn man sie überhaupt noch sieht. An ihre Stelle sind reihen- weise Mädels und Jungs getreten, die mit ihren Körpern in keinem Sommerkatalog einer großen Sport- Mode-Firma auffallen würden – und wenn dann nur im positiven Sinne. Definierte Oberarme, schlanke Taillen, Shirts, deren Nähte gerade im Schulter- und Rückenbereich von den darunterliegenden Muskelbergen auf ein Äußerstes gespannt werden – es ist mittlerweile Usus auf den Fairways, die im Profigolf die Welt bedeuten. Man findet kaum einen Spieler, dessen Wochenkalender nicht eine Handvoll Besuche im Fitness-Studio beinhaltet, garniert wird das Ganze mit Yoga, Pilates, Ernährungsplan und allem anderen, was der körperlichen Fitness zuträglich erscheint. Sportwissenschaftliche Evolution ist der eine Grund dafür, ein ganz besonderes Zugpferd ein anderer. Sein Name: Tiger Woods.

Randy Myers bekam als Direktor der Nike Golf Performance aus erster Hand mit, wie der Ausnahmegolfer des 21. Jahrhunderts auch abseits des Platzes eine neue Zeitrechnung einläutete. „Tiger war schon in jungen Jahren herausragend, aber zunächst hatte er noch einen sehr dünnen, fast schlaksigen Körperbau“, erinnert sich der renommierte Coach an Tigers Anfänge Ende der 1990er-Jahre. „Er hat dann realisiert, dass er stärker werden und gleichzeitig seine Flexi- bilität behalten muss, um der Beste zu werden. Mit seinem sportlichen Höhenflug verbreitete sich dieses Mantra, und auf einmal war es auch für Golfer cool, Gewichte zu stemmen.“ Früher wurden derlei Trainingsinhalte trotz zeitweiliger Ausnahmen wie Gary „1.000 Situps“ Player lange mit Argwohn betrachtet. Etliche junge Spieler wurden von den alten Hasen belächelt, wenn sie es auch nur wagten, eine Kurzhantel anzuschauen. Golfer hatten ihre Entwicklung in stundenlangen Range- Sessions zu erarbeiten, so die weit verbrei- tete Meinung. Mit Tiger Woods wurde diese Einstellung nicht nur hinterfragt, sondern quasi final zu den Akten gelegt. Selbst wenn der fanatisch-ehrgeizige Superstar es nach eigenen Angaben zeitweise mit den Ge- wichten und den Navy-Seals-Methoden übertrieben hat, verfing seine Einstellung zu seiner Profession, die er zu jeder Zeit ganz klar als Sport definierte. „Ich habe Golf immer als genau das interpretiert“, sagt Woods rückblickend. „Es wäre zum Beispiel idiotisch, ohne begleitende Workouts American Football zu spielen. Das macht überhaupt keinen Sinn. In gewisser Weise ist es beim Golf genauso.“

Der Fitness-Boom im Profigolf

Auf Woods folgte eine ganze Generation an jungen Spielern, für die erfolgreiches Golfspiel untrennbar mit der eigenen körperlichen Verfassung verknüpft war. Äußere Umstände beschleunigten diese Entwicklung. Immer längere Golfplätze verlangten nach deutlich mehr Metern vom Tee, statistische Analysen belegten, dass diese in direktem Zusammenhang mit besseren Scores standen. Ohne ein gewisses Maß an Grundlänge verlor so mancher Top-Spieler den Anschluss an die Weltspitze, die meisten wiederum erkannten die Zeichen der Zeit und stellten ihre Abläufe dementsprechend um. Hier zieht Randy Myers ebenfalls eine Parallele zum American Football. „Beim Football gibt es spezialisierte Position-Coaches und extra Fitnesstrainer für jedes Team“, sagt Myers. „So ist es mittlerweile auch beim Golf. Wer den Ball anders schlagen möchte, der muss sich nicht selten körperlich verändern. Ein Augen- merk für die Schwingeffizienz und moderne Monitor-Techniken machen es dann möglich, Athletiktraining ganz individuell auf die Bedürfnisse eines jeden einzelnen Profis einzustellen.“

Das Resultat ist heute mitunter ein Schaulaufen echter Modellathleten, deren Schwünge immer athletischer und kraftvoller werden. Muskeln, Beweglichkeit, Stabilität – zusammen mit der Ausdauer für über vier Runden gehende Major-Schlachten und mit vollgepacktem Tourkalender werden sie zur Basis für alles, was die Top-Stars erreichen wollen. Auch Verletzungsprävention steht ganz oben auf der To-do-Liste. Nicht nur auf dem Platz machen damit „Buff Guys“ wie Dustin Johnson, Rory McIlroy oder Bryson DeChambeau, aber auch schlankere Profis wie Xander Schauffele, Ludvig Aberg oder Collin Morikama eine gute Figur. Online werden Workout-Videos der Fitness- Freaks längst von Millionen Golfern geklickt, die auf der Suche nach der eigenen Weiterentwicklung nach einem neuen Allheilmittel stöbern. Die Monster-Waden von Altmeister Phil Mickelson, einst die personifizierte unförmige Antithese zu Woods’ Fitnesstrend auf der PGA Tour, sind längst ein viraler Hit, Brooks Koepka zierte sogar einst, wie Gott ihn schuf, das Cover vom Body Issue des ESPN Magazine. Allesamt sind diese Episoden der Ausdruck eines Kulturwandels im Profigolf, der das Bild des Spiels nachhaltig verändert hat. Vielleicht noch nicht in der breiten Öffentlichkeit, schließlich hört man immer mal wieder Zweifel daran, ob das Tagesgeschäft eines Golfers wirklich Sport ist. Wenn er dann aber wie Rory, DJ oder Bryson aussieht und auch noch wie sie schwingt, dann wird es selbst dem größten Kritiker schwerfallen, die Frage „Sport oder nicht Sport“ nicht doch als obsolet zu betrachten.


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FIVE FITTEST

Rory McIlroy

Der nordirische Super- star mit den Popeye- Armen ist so in sein umfangreiches Fitness- Programm vernarrt, dass Kommentator Johnny Miller ihn schon einmal rügte, er solle doch weniger Zeit im Gym und mehr Zeit auf dem Platz verbringen.

Dustin Johnson

Ellenlange Arme, 1,94 Meter groß, breite Schultern – „DJ“ sieht aus, als ob er problem- los auch in anderen Sportarten auftrumpfen könnte. Basketball wäre wohl eine Möglichkeit, schließlich schafft er einen zweihändigen Slam Dunk aus dem Stand.

Bryson DeChambeau

2020/21 packte der „Scientist“ einfach mal in anderthalb Jahren 20 Kilogramm Muskelmasse auf seinen ohnehin schon kräftigen Körper. Ganz gesund war das nicht, doch mittlerweile hat er sich an neuen Studien orientiert und gilt als der vielleicht kraftvollste Spieler weltweit.

Brooks Koepka

Der fünffache Major-Champion hat eine einfache Devise: „If you want to hit it long, you got to be strong.“ Vielleicht keine weltbewegende Weisheit, aber einem Brocken wie Koepka gibt man lieber keine Widerworte.

Jordan Spieth

Spieth ist für viele eventuell eine kleine Überraschung in der Riege der Eisenfresser, er geht der Fitness aber mit einer ähnlichen Akribie nach, wie er sie auf dem Fairway an den Tag legt.

Jordan Spieth

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