Der Therapeut und sein Truck

Kaum einer kennt die besten Golfspieler Europas so gut wie Artur Frank. Als Therapeut ist er wichtiger Ansprechpartner und enger Vertrauter von Ryder-Cup-Helden, Olympioniken und aufstrebenden Nachwuchsspielern. In „seinem“ Physio-Truck gab er uns exklusive Einblicke in seinen reichen Erfahrungsschatz nach 15 Jahren auf der Tour.

Photos by Octavio Passos/Getty Images for U.COM / Bereitgestellt

Bei den European Open in Hamburg empfängt mich Artur Frank im Physio-Truck der DP World Tour. Im Inneren erwarten uns nicht nur spannende Einblicke und Erfahrungen, sondern auf knapp 100 Quadratmetern auch ein Behandlungsraum mit Liegen, Stoßwellengerät und Ultraschall sowie ein kleines Fitnessstudio mit den notwendigsten Trainingsgeräten: Ergometer, Kettlebells, Kraftturm, Lang- und Kurzhanteln.

Dieser Truck fährt tatsächlich durch ganz Kontinentaleuropa und das Vereinigte Königreich von Turnier zu Turnier. Nach Asien oder in den Mittleren Osten, wo die DP World Tour auch Turniere veranstaltet, fährt der Truck freilich nicht. „Dort gibt es dann Zelte mit bis zu 200 Quadratmetern, in denen es die Ausstattung gibt, die wir brauchen.“ In naher Zukunft, und dafür ist Artur dankbar, wird es zwei Trucks geben, die im Auftrag der DP World Tour durch Europa reisen. „Dann wird es einen Truck nur für uns Therapeuten geben. Der zweite Truck wird ein reines Fitnessstudio sein.“ Denn nicht alle Profis der Tour sind Millionäre, die im 5-Sterne-Hotel mit perfekt ausgestatteter Fitness-Area absteigen können. Weil aber so gut wie alle Athleten konstant an ihrer Fitness arbeiten, stellt die Tour schon bald einen Truck zur Verfügung, der alle wichtigen Trainingsgeräte von Turnier zu Turnier transportiert und so zu einem optimalen Umfeld beiträgt.

Fokus auf die Fitness

Schließlich wird Fitness, also Kraft und Ausdauer, im modernen, auf Performance gedrillten Profi-Golfsport immer wichtiger. Das birgt freilich auch Gefahren, die Artur Frank nur allzu gut kennt. Waren es vor zehn bis 15 Jahren vor allem die Wirbelsäule, die Golfern Schmerzen bereitete, behandelt Frank heute immer öfter die Gelenke an Beinen und Armen. Der 60-Jährige weiß auch, warum: „Die Spieler schwingen immer schneller und dynamischer. Das beansprucht die Gelenke enorm“, so Frank. „Schmerzen und Verletzungen an Handgelenk, Sprunggelenk oder Hüfte sind das Ergebnis wahnsinniger Translations- und Rotationskräfte, aber auch moderner Materialien.“ Jedenfalls ist der Faktor Zeit oft das größte Problem. „Wenn die Jungs bei uns vorbeikommen, haben wir oft nur noch zehn Minuten bis zur Tee Time. Dann sind schnelles Handeln und Erfahrung gefragt.“


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Und wie sieht ein Arbeitstag des Therapeuten-Teams in der Turnierwoche aus? „Wir starten am Dienstag und arbeiten bis Sonntag, wenn der letzte Flight ins Turnier geht. Die Tage beginnen eineinhalb Stunden vor dem ersten Abschlag – das bedeutet: Abfahrt vom Hotel um 5, Behandlungsbeginn gegen 6 Uhr morgens – und Ende zwischen 8 und 9 Uhr am Abend. Das Team vor Ort besteht aus vier Therapeuten unterschiedlichster Disziplinen (Physiotherapeuten, Chiropraktiker, Osteopathen, Sporttherapeuten, Masseure), wovon jeweils drei immer im Truck sind, um Spieler zu behandeln. Dienstag bis Donnerstag ergänzen ein Arzt und ein Fitness-Coach das Team. Am Wochenende versehen lokale Mediziner den Dienst als Turnierärzte. Bei den großen Events der Rolex Series sind zudem Ernährungsberater vor Ort, die alle Mahlzeiten zusammen mit dem Catering-Staff planen und umsetzen.

Profis & Amateure

„Obwohl die Spieler zu Hause ein dichtes Netzwerk an Betreuern haben, die vom mentalen Bereich über Ernährung bis zu Athletik- und Golftraining alles abdecken, sind wir dennoch immer mit fast allen Profis in Kontakt – persönlich, aber auch via Video-Telefonie und Textnachrichten.“ Dabei ist es Artur Frank wichtig zu betonen, dass „jeder Körper einzigartig ist und jeder Spieler eine andere Form der Betreuung braucht“. Das betrifft auch die Vorbereitung auf die Runde. „Während der eine an der Ansteuerung im Kraftraum arbeitet, braucht ein anderer mehr passive Therapie. Wieder ein anderer braucht die Meditation vor dem ersten Abschlag.“

Profis beschäftigen sich also eingehend mit dem eigenen Körper. Doch was sind die Probleme der Amateure? „Wahrscheinlich Schmerzen am Unterarm. Natürlich ist dafür oft ein fett getroffener Schlag verantwortlich. Das wahre Problem ist jedoch in der Regel die Diskrepanz zwischen dem eigenen Anspruchsdenken und der Zeit, die ein Golfer in die eigene Fitness und die Golftechnik investiert. Es gibt auch nicht den einen Golfschwung für jeden. Ein guter Golflehrer passt den Golfschwung an die individuellen physiologischen Voraussetzungen an.“ Das betreffe auch das Material, das viele von der Stange kaufen würden, obwohl es besser wäre, sich individuell in Sachen Schaft, Griff oder Schlägerkopf beraten zu lassen. Dabei sieht Frank durchaus Parallelen zum Skisport. „Das klassische Beispiel: Man bucht eine Woche Skiurlaub. Ohne vorbereitende Skigymnastik gibt man am ersten Tag Vollgas, ist am zweiten Tag müde und verbringt den dritten Tag schon nur mehr in der Therme.“

Ein Leben auf Tour

Doch zurück zum Alltag auf der Tour. Für seine Arbeit ist Artur Frank zwischen 14 und 20 Wochen pro Jahr unterwegs. „Ohne die Unterstützung meiner Frau wäre das alles nicht möglich“, so der Familienvater. Auch deshalb gibt es heute kaum eine Tour-Destination, die der passionierte Eishockey-Spieler und Single-Handicapper nicht bereist hat – auch wenn er dort meist nur Hotel und Golfplatz zu Gesicht bekommt. Ob Südafrika, Dubai, Schweden oder Korea: Sein Arbeitsplatz ist der Physio-Truck.
Ansonsten lebt Frank im niederbayrischen Plattling, wo er seine eigene private Praxis AF Medical betreibt. Zusammen mit seinen Mitarbeitern betreut er dort Spitzensportler aller Disziplinen, aber auch alle anderen Patienten mit chronischen Beschwerden oder nach Operationen. Die Arbeit auf Tour will er dabei keinesfalls missen: „Meine Kollegen und – speziell die älteren – Spieler sind wie eine zweite Familie. Wenn sie zu uns kommen, sprechen wir auch über Familien und Kinder. Natürlich bin ich in erster Linie Osteopath und Physiotherapeut, aber auch Psychologe und höre zu, wenn die Tochter den ersten Freund nach Hause bringt, es Stress mit der Frau gibt oder es am Golfplatz nicht so hinhaut.“

Vom Ryder Cup zur Olympiade

Seit nunmehr 15 Jahren gehört Artur Frank als einziger Deutscher zum internationalen medizinischen Betreuerteam der DP World Tour. Er weiß genau, wo es am Körper der Golfspieler zwickt und was man dagegen unternehmen kann. Der Sportphysiotherapeut und Osteopath war als Mitglied des Medical Staff beim Ryder Cup 2023 dabei und behandelt so gut wie alle Spieler der Tour. 2024 wird er bei den Olympischen Spielen im Einsatz sein. Die Körper von Bernhard Langer, Viktor Hovland, Tommy Fleetwood, Marcel Siem oder Ryder-Cup-Captain Luke Donald kennt der 60-Jährige heute in- und auswendig. Doch wie wird man einer, dem die besten Golfspieler ihren Körper – und damit ihr wichtigstes Kapital – anvertrauen?

Artur Frank betreute nach seiner Ausbildung zum Physiotherapeuten zehn Jahre lang die Athleten des deutschen Skiverbandes, bevor er sich um ambitionierte Nachwuchs-Golfer kümmerte. Viele gelöste Blockaden und Fortbildungen in den Bereichen Manuelle Therapie, Sportphysiotherapie, Traditionelle Chinesische Medizin und Osteopathie später wurde Artur Frank als Physiotherapeut von der PGA of Germany für die BMW International Open in München engagiert. Da rief Bernhard Langer an, der nach neun Löchern einen steifen Nacken bekommen hatte und kaum mehr spielen konnte. Frank raste zu Langer auf den Platz, der nach der Behandlung das Turnier als Zweiter beenden konnte. Der Rest ist Geschichte: „Ich war also auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“

Martin Angerer
Martin Angerer
Martin Angerer ist Chefredakteur bei Perfect Eagle Golf & Head of Digital Media.

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